An english version will come soon!
Viele Tage, ja Wochen, sind vergangen seit meinem letzten Eintrag in unseren „Eine Welt Blog“ mit Informationen zur aktuellen Situation, zum Zustand der Projektarbeit in Ruanda und zur Unterstützung der Schulausbildung armer Kinder und Jugendlicher.
Ich bin seit dem 11. Mai wieder in Ruanda und ich werde wahrscheinlich bis zum Beginn des März 2017 im Land bleiben. Bislang war immer wieder meine größte Sorge gewesen, ein Visum über mehrere Monate zu erhalten. Dieses Problem ist für jetzt und die Zukunft gelöst, da ich am 23. Mai geheiratet habe und ich als Ehemann, verheiratet mit einer Ruanderin, Susan Mukamana, nach Recht und Gesetz Ruandas ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten werde. Das hoffe ich jedenfalls, da der Antrag schon mehr als drei Wochen bei der Behörde für Einwanderung und inneren Sicherheit bearbeitet wird, aber er wurde angenommen und deswegen bin ich guten Mutes, bald meinen Pass mit Aufenthaltsbescheinigung zu erhalten.

All die Ereignisse um diese Heirat herum und der schwierige Weg bis zu diesem Ereignis erklären auch meine lange Schreibabwesenheit.
Schon bei meinem letzten Aufenthalt in Ruanda zeichnete sich ab, dass ich in Zukunft kein Visum über die üblichen 30 Tage hinaus erhalten werde, da unsere Partnerorganisation CREDA immer noch im Anerkennungsverfahren als nationale NGO steckt und ein Aufenthaltsrecht auf Grund der Kooperation erst erteilt wird, wenn das entsprechende Zertifikat vorliegt. Darum haben mein Frau Susan und ich die Eheschließung schon seit Januar angestrebt und die notwendigen Dokumente beschafft. Leider hatte die ruandische Botschaft eine Beglaubigung meines Ledigkeitsdokumentes mehr als zwei Wochen auf dem Schreibtisch liegen lassen, so dass dieses Dokument nicht mehr vor meiner Abreise im Februar in Ruanda eintreffen konnte. Das war schon schlimm genug, da ich mir für meine nächste Zeit in Ruanda gewünscht habe, mit dem Aufenthaltsrecht auf der sicheren Seite zu sein.
Es sollte aber für uns noch schlimmer kommen. Am letzten Abend vor meinem Abflug am 23. Februar bin ich von meinem damaligen Vermieter vor die Tür und regelrecht auf die Straße gesetzt worden. Mit Susan habe ich schon besprochen, dass wir uns nach unserer Heirat eine andere Wohnung suchen werden. Dies hatte ich vor in Ruhe anzugehen und von einer sicheren Unterkunft aus. Es ist nicht einfach in Kigali eine Wohnung mit Küche und Toilette/Dusche in einem Appartement oder Haus zu finden, wenn das Geld für Miete begrenzt ist. Könnte ich 1000 € und mehr bezahlen, wäre ich schon längst in eine entsprechende Wohnanlage gezogen. Aber leider habe ich nicht mehr Geld zur Verfügung wie ein Ruander mit mittlerem Einkommen. An dem Tag meiner Abreise habe ich mit Susan gemeinsam alle Sachen gepackt und sie gebeten, alles an einen sicheren Ort zu schaffen und auch für das Auto einen Platz zu finden, an dem es bewacht wird. Dann musste ich nach Deutschland fliegen. Auf Susan ist in dem nächsten Tage erheblicher Druck ausgeübt worden, so schnell wie möglich und spätestens in zwei Tagen zu verschwinden und es wurde ihr sogar mit der Polizei gedroht. Das war besonders fies, da in Ruanda generell eine 15 tägige Kündigungsfrist gilt. Schließlich habe ich monatlich eine angemessene Miete für das kleine Haus bezahlt, abgesehen von den Dienstleistungen und den Wohnwert steigernden Maßnahmen, die ich in das Haus über die drei Jahren meines Aufenthaltes dort eingebracht hatte. Das stärkt meine Ansicht, dass alle Menschen gleich sind auf dieser Erde, vor allem die Vermieter, die sich in Deutschland und wahrscheinlich wo auch immer ähnlich verhalten.
Sorgenvoll und mit erheblichem Herzschmerz und einem bedrückenden Gefühl im Bauch habe ich meine geliebte Susan verlassen und mit der Bewältigung der Schwierigkeiten alleine zurücklassen müssen.
Wir blieben, obwohl durch fast 7000 km getrennt, ständig in Kontakt. Ich habe sie gebeten, so schnell wie möglich diesen Ort und diese Menschen zu verlassen, da ich mittlerweile in tiefer Sorge um ihr Wohlergehen war. Sie ist dann bei Verwandten in einer sehr armen Behausung untergekommen, die sie sich mit fünf anderen Frauen und drei Babys geteilt hat. Die nächsten vier Wochen hat sie neben Studium und Examensarbeiten, nach einer Unterkunft für uns gesucht, die bezahlbar sein musste.
Ich erlebte derweil in Deutschland, wie es sich anfühlt, ohne eine abschätzbare Zukunftsperspektive und ohne die Möglichkeit, aktiv für eine solche sorgen zu können, die sich dahinziehenden Tage zu verbringen. Das Erlebnis, mein bislang sicher gewähntes Zuhause in Ruanda auf diese Weise zu verlieren, und die Ungewissheiten ließen mich in eine böse depressive Stimmung fallen und bescherten mir kontinuierliche Magenschmerzen und schlaflose Nächte nach bedrückenden Alpträumen. Ich sah die Bemühungen um die Stabilisierung unseres Projektes und die Aussichten auf ein Zusammenleben mit meiner geliebten Frau zu einem Trümmerfeld zusammenbrechen.
Nach mehr als vier Wochen des Suchens hatte Susan eine kleine Wohnung gefunden und damit für mich eine geringe Hoffnung auf eine Fortsetzung des Lebens und Arbeitens in Ruanda. Dennoch drehte ich die sorgenvollen Gedanken in meinem Kopfe weiter. Mir war klar, dass ich innerhalb weniger Tage nach meiner Ankunft würde heiraten müssen, wenn ich nicht nach vier Wochen wieder auf dem Heimflug sein wollte. Wir bereiteten alle notwendigen Dokumente vor , ich in Deutschland ebenso Susan in Ruanda. Meine Gedanken kreisten weiterhin unablässig um die Frage, ob es klappen wird oder an irgendeiner Stelle des Verfahrens jemand sagt: Aber da fehlt noch ein Stempel oder eine Unterschrift. Die knapp 11 Wochen in Deutschland wollte ich mich erholen und von den anstrengenden, arbeitsreichen Monaten entspannen, aber ich litt unter ständiger Anspannung und Stress und an keiner Ablenkung konnte ich Freude finden. Ich bin jeden Tag 2 bis drei Stunden mit dem Hund spazieren gegangen. Aber selbst im Wald, über die Felder und am Rhein entlang, konnte die erwachende Natur des Frühlings mit frischem Grün und Blumen meine düsteren Gedanken nur selten aufhellen und nie fühlte ich mich unbeschwert.
Der Senior Experten Service hatte mich für einen Auftrag in dem Tageszentrum für Kinder mit geistiger Behinderung „Izere Mubyeyi“ in Kabeza angefragt. Das tat meinem Selbstwertgefühl gut und ich habe diesen Auftrag gerne angenommen. Drei Wochen vom 23. Mai bis 10. Juni bin ich in dem Zentrum tätig gewesen.
Am 11. Mai abends um 19:00 kam ich in Kigali an und wurde von Susan und von Agnes Mukashyaka, der Leiterin von „Izere Mubyeyi“, herzlich willkommen geheißen. Mir wurden Blumensträuße überreicht, als würde ich geradewegs an diesem Abend zum Hochzeiten gehen. Agnes hat uns zur Wohnung gefahren, die nur ein paar Meter von der Rollbahn des Flughafens liegt. Die landenden und startenden Flugzeuge sind meine Musik der Tage und Nächte, wobei ich gelernt habe, dass die Maschinen unterschiedlich klingen und einige extrem laut und andere erstaunlich leise sind.
Die Wohnung ist sehr klein und von Mauern umgeben, so dass ich sie mittlerweile als mein Gefängniszelle bezeichne – allerdings im offenen Strafvollzug. Schlimmer ist, dass wir in den Wochen seit meiner Ankunft nur an fünf Tagen Wasser aus der Leitung hatten. Wir kaufen Wasser in 20 Liter Kanistern von einem Wasserträger, der das Wasser von der nächsten öffentlichen Zapfstelle auf dem Fahrrad transportiert. Meistens haben die Wasserträger 4 bis 6 Kanister (also 80 – 120 Liter) auf dem Gepäckträger festgezurrt. Bergauf schieben sie die Räder unter extremer Körpereinsatz, bergab rasen sie in lebensgefährlicher Fahrt.
Ich wundere mich jetzt, da wir diese Wohnung nun endlich verlassen konnten , dass mich nicht Ekzeme und andere Hautkrankheiten und Magen-Darmbeschwerden bei den beschränkten Hygienemaßnahmen heimgesucht haben.
Wir haben seit einer Woche ein neues Zuhause, doch dazu später mehr.

Wie ihr aus meine ersten Zeilen schließen können, sind unsere Dokumente von den Standesbeamten akzeptiert worden. Meine Liebste war so klug, schon vor meiner Ankunft den Heiratstermin festzulegen und so waren wir am 23. Mai so gegen 17:00 mit der Übergabe des Auszuges aus dem Eheregister verheiratet. In diesem Moment fiel alle Last und Sorge von mir und wahrscheinlich habe ich mich noch nie in meinen vielen Lebensjahren so leicht und froh gefühlt. Wir hatten es geschafft, wir hatten gemeinsam die schwierige Zeit durchgestanden und die bösen Erfahrungen mit ebensolchen Menschen haben uns und unsere Zuneigung nicht verderben können. Ich bin sehr stolz auf meine tapfere und starke Susan.
Ich habe meine Frau aus Liebe und Bewunderung geheiratet. Ich empfinde es als ein unbeschreibliches Glück in meinem Alter und für mein Alter von einem Menschen erwählt worden zu sein, der mir in aufrichtiger Liebe zugewandt ist. Wir werden unser Leben miteinander teilen, Freude und Leiden miteinander ertragen und füreinander sorgen. Ich bin alt genug, um sicher zu sein, dass es für mich meine letzte Liebesbeziehung sein wird und ich hoffe, wenn ich irgendwann meine Abschied nehme, dass meine Liebste meine Hand hält und mir ein letztes Mal ihr wunderbares Lächeln schenken wird.
Für die Pateneltern und Unterstützer der Kinder und Jugendlichen hat dies natürlich keine Priorität, aber wichtig für sie ist, dass das Projekt mal wieder aus einer existenzbedrohenden Situation gerettet werden konnte und die Ausbildung ihrer Patenkinder weiter gewährleistet ist.
Ich werde weiter daran arbeiten, in absehbarer Zeit dieses Projekt in eine vertrauensvolle und unseren Ansprüchen und Erwartungen genügende ruandische NGO überzuleiten und mit entsprechenden bindenden vertraglichen Vereinbarungen abzusichern.
Und für die Kinder und Jugendlichen, denen die Pateneltern und Spender die Schulausbildung, die handwerklich berufliche Ausbildung und zum Teil sogar das Studium ermöglichen, bedeutet meine gesicherte Anwesenheit im Land, dass sie ohne Sorge ihre Ausbildung weiter betreiben können.
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